Endlosverfahren um Investmentbanker - EGMR verurteilt Österreich

Mit Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 11. April 2017 wurde die Republik Österreich im Fall des Salzburger Investment Bankers Michael B. wegen Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahrens verurteilt. Dies geschah, weil das Verfahren bereits im Jahr 2000 von der Staatsanwaltschaft Wien eröffnet wurde und es im Lauf der Ermittlungen wiederholt Verzögerungen gab, die vom Europäischen Gerichtshof der Staatsanwaltschaft angelastet wurden.

Zudem traf der EGMR weitere Feststellungen, welche belegen, dass die Rechte meines beschuldigten Mandanten über einen langen Zeitraum massiv verletzt wurden. Es ist in vielerlei Hinsicht ein auffälliges Verfahren, nicht alleine aufgrund des EGMR Urteils und der unvorstellbaren mehr als 22-jährigen Verfahrensdauer. Denn wiewohl das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluss bereits im Jahr 2013 eine Verletzung des Beschleunigungsgebots feststellte und schon zuvor Rechtsverletzungen von der Verteidigung erfolgreich geltend gemacht wurden, führte die Staatsanwaltschaft Wien das Verfahren immer weiter. Das Verfahren veranschaulicht jedoch, welche Rechtsmittel in einem solchen Fall zugunsten des Beschuldigten ergriffen werden können.

15 Jahre Ermittlungsverfahren - 22 Jahre Gesamtverfahrendauer

Der Mandant war ein bekannter Hedge-Fonds Manager in den Vereinigten Staaten von Amerika und verwaltete einen Fonds über US$ 500 Millionen Veranlagungsvolumen. Dem Manager wurde zur Last gelegt, er hätte 2 renommierte Wirtschaftsprüfungskanzleien zur Ausfertigung von falschen Bilanzen betreffend das Fondsvolumen angestiftet. Alleine das Ermittlungsverfahren dauerte 15 Jahre, in welchen es aber zu keinerlei Ermittlungsergebnissen kam. Drei Sachverständige wurden wegen Befangenheit und Verfahrensverzögerung abberufen. Der vierte Sachverständige wurde bestellt, obwohl dieser von sich selbst aus Befangenheitsgründe aufzeigte. Aufgrund des Ablaufs der Zeit waren zudem einige der von Staatsanwaltschaft geführten und wichtigen Zeugen verstorben, trotzdem wurden diese in der Anklageschrift jedoch weiter als Zeugen geführt.

langes Strafverfahren ohne Ergebnis

21 Monate Untersuchungshaft ohne Anklage

Besonders hervorzuheben ist, dass der Mandant 21 Monate in Untersuchungshaft gehalten wurde.

In dieser Zeit argumentierte die Staatsanwaltschaft, auch gegenüber dem Haftrichter, dass die Haft auch deswegen fortzusetzen sei, da die Gutachtenerstattung unmittelbar bevorstünde. Zwei Monate vor Ablauf der zweijährigen Haftfrist war der Glauben des Gerichts an die Gutachtenerstattung nicht mehr allzu groß, sodass der Haftrichter meinen Mandanten enthaftete. Mein Mandant wurde kein einziges Mal von der Staatsanwaltschaft einvernommen oder befragt. Keinen der Beweisanträge der Verteidigung wurde von Seiten der Staatsanwaltschaft im gesamten Verfahren nachgekommen.

Hinsichtlich der Beweislage sei zusammenfassend ausgeführt, dass sich über 90% der relevanten Aktenteile nicht im Gerichtsakt befinden, darunter die Prüfungsunterlagen der Wirtschaftsprüfer aus Bermuda, die Kontoauszüge der Bank des Fonds, der Bank of Bermuda wie auch weitere wesentliche Beweise.

Die Staatsanwaltschaft hat im gesamten Ermittlungsverfahren nicht einmal versucht diese Akten zu beschaffen. In vielerlei Hinsicht ist der Fall des Investmentbankers auffällig oder sogar bizarr.

Verletzung des Beschleunigungsgebots und des Art 6 MRK

Derartige Verfahrensverletzungen können innerstaatlich vor Gericht gerügt werden. Ist der innerstaatliche Instanzenzug ausgeschöpft, kann beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Beschwerde eingebracht werden.

Kommt es in einem Verfahren zu einer überlangen Verfahrensdauer, so kann der Beschuldigte oder Angeklagte einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren hinsichtlich Art 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention geltend machen. In Österreich ist dieser Grundsatz in der Bestimmung des § 9 der Strafprozessordnung (StPO) verwirklicht. Zudem gilt nach § 9 Abs. 2 StPO ein besonderes Beschleunigungsgebot, wenn der Beschuldigte inhaftiert ist. Bei der Prüfung, ob dieses Beschleunigungsgebot tatsächlich verletzt wurde, werden stets einige Kriterien als Prüfungsmaßstab herangezogen, darunter:

  • - die Gesamtverfahrensdauer,
  • - die Komplexität des Falles,
  • - ob die Behörde die Verzögerungen verursacht hat,
  • - die Bedeutung des Falles für den Beschwerdeführer.