Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens

Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, oft auch vereinfacht als „das Wiederaufnahmeverfahren“ bezeichnet, kommt generell dann in Frage, wenn ein bereits Verurteilter, also schuldig gesprochener Angeklagter, weiterhin behauptet, die ihm oder ihr vorgeworfene Tat nicht begangen zu haben. Allein die Beteuerung der Unschuld seitens des Verurteilten genügt allerdings nicht um eine Wiederaufnahme des Verfahrens bewirken zu können. Ansonsten wäre es möglich, eine Verurteilung jederzeit mit einem neuen Verfahren wieder aufzuheben. Die Rechtskraft des abgeschlossenen Verfahrens bewirkt die Rechtssicherheit des Verfahrens.

Rechtlich gesehen durchbricht die Wiederaufnahme die Rechtskraft eines abgeschlossenen Verfahrens, wenn der Antragsteller neue Beweismittel vorlegen kann, die alleine oder in Verbindung mit bisherigen Beweismitteln geeignet sind, zu einem Freispruch zu führen oder ein milderes Strafgesetz (mit einer geringeren Strafdrohung) zur Anwendung gelangen zu lassen.

Neue Beweismittel (nova producta) erforderlich

Damit diese Rechtskraft durchbrochen werden kann, müssen neue Beweismittel, sogenannte „Nova Producta“, gefunden werden, die im Erstverfahren noch nicht Bestandteil der Akte und des Prozesses waren.

Die Beischaffung neuer Beweismittel ist fallspezifisch mit unterschiedlichem Aufwand verbunden. Es ist manchmal schon aufgrund der Faktenlage problemlos möglich, ein neues Beweismittel zu finden. Oft aber bedarf es zusätzlich zur Tätigkeit des Anwalts eines Privatdetektives oder eines Sachverständigen, um zum erwünschten Erfolg zu kommen.

Generell ist der Rechtsbegriff des Beweismittels in der Wiederaufnahme identisch mit dem Beweismittel Begriff im Hauptverfahren. Beweismittel sind somit:

  • - Zeugenaussagen
  • - Urkunden
  • - sogenannte Sachbeweise wie beispielsweise DNA.
  • - Sachverständigengutachten

Bei Einholung eines Gutachtens ist die Auswahl von Sachverständigen oder Experten zum Nachweis bestimmter Fakten entscheidend.

Da es sich bei einem Wiederaufnahmeverfahren um ein außerordentliches Rechtsmittel handelt, welches die Rechtssicherheit also ein bereits abgeschlossenes Verfahren durchbricht, müssen die Beweise – wie bereits erwähnt - neu sein. Doch was versteht man genau unter einem neuen Beweismittel? Neue Beweisen sind solche, die im bisherigen Verfahren noch nicht vorhanden sind. Sämtliche Beweismittel die in der Hauptverhandlung vorgekommen sind oder die auch in der Akte ersichtlich sind, gelten als verbraucht. Das Wiederaufnahmeverfahren dient nicht dazu, Fehler der Verteidigung oder Verfahrensfehler des Gerichts zu korrigieren.

Wenn der Verteidiger im alten Verfahren Beweisanträge nicht gestellt hat, obwohl diese sich eindeutig aus dem Akteninhalt ergeben hätten, können diese Beweismittel nicht in der Wiederaufnahme Verwendung finden, denn sie sind eben gerade nicht neu.

So ist der Zeuge, der bereits von der Polizei einvernommen wurde und dessen Zeugenaussage sich in der Akte befindet, eben kein neuer Zeuge, auch wenn die Verteidigung ihn nicht zur Entlastung im alten Verfahren geladen hat.Eine entlastende Urkunde, die vom Gericht nicht beachtet und von der Verteidigung nicht ausdrücklich als verlesen gewünscht wurde, kann gleichfalls kein neues Beweismittel sein, auch wenn sich aus ihr die Unschuld des Mandanten ergibt.

Eine sinnwidrig vom Altgericht ausgelegte Zeugenaussage kann niemals ein neues Beweismittel sein, auch wenn sich aus ihr ein vollkommen anderer Inhalt ergibt, wie das Urteil festgestellt hat. Verfahrensfehler, in sich unstimmige Feststellungen oder unterlassene Beweisanträge sind keine nova producta. Dagegen sind bisher unbekannte Zeugen, neue beweiskräftig Urkunden oder Sachbeweise unter Umständen der Schlüssel dazu, das Verfahren zugunsten des Mandanten wieder eröffnen zu können.

Sachverständigengutachten als neues Beweismittel

Eine besondere häufig vorkommende Möglichkeit zur Wiederaufnahme besteht in der Erstellung eines neuen Sachverständigengutachtens zu verschiedenen, vom Gericht festgestellten Tatsachen. Dazu ist die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu beachten. Denn ein vom Altgericht abweichendes Gutachten kann nur dann Beachtung finden, wenn es sich nicht in der Sphäre der Beweiswürdigung des Gerichts alleine befindet. Zudem verlangt das Höchstgericht in seiner Rechtsprechung auch einen neuen Beweis oder Befundgrundlage für ein solches Gutachten.

Dazu zwei Beispiele:

Bei einer möglichen Schuldunfähigkeit des Mandanten ist nicht nur ein Gutachten zu erstatten, sondern der Befund muss um eine noch nicht festgestellte und verschleierte Erkrankung erweitert werden, damit der Wiederaufnahmeantrag eine Chance hat. Im Fall von gefälschten Unterschriften, beispielsweise, reicht es nicht aus, ein neues Gutachten beizubringen, welches die Echtheit von Unterschriften bestätigt. Vielmehr müssen weitere Unterschriften an Originalunterschriften entdeckt werden und auf dieser neuen Grundlage, muss dann das Gutachten erstattet werden

Vorgehensweise und Kosten

Der Aufwand für eine Wiederaufnahme variiert mit der Deliktsart. In hochkomplexen Wirtschaftsstrafverfahren kann es erforderlich sein, mit mehreren Gutachtern parallel zu arbeiten und zudem Personen zu beauftragen, die neue Beweise erheben sollen. Bei Gewaltdelikten andererseits kann ein neuer Zeuge, der bisher noch nicht erkannt wurde, ausreichend für einen erfolgreichen Wiederaufnahmeantrag sein.

Wiederaufnahmeverfahren sind die Königsdisziplin im Strafrecht. Um sie zu beherrschen, muss man nicht nur das bisherige Verfahren genau analysiert haben, sondern darüber hinaus oft noch Ermittlungsarbeit leisten. Daher ist der Zeitaufwand häufig eng verbunden mit der Erfolgschance. Zentral hierbei ist die enge Kooperation mit dem Mandanten.

Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens ist mit Kosten verbunden, ohne dass eine Garantie für einen Erfolg abgegeben werden kann. Die Aufklärung über die Kosten und die Chancen sind für den Mandanten und dessen Angehörige wichtig und notwendig.

In meiner bisherigen Tätigkeit ist es mir in einigen Fällen gelungen, eine Wiederaufnahme zu erwirken.

Objektiv nicht erfolgversprechende Fälle werden von mir (auch) im Interesse des Mandanten nach einer Vorprüfung abgelehnt.

Mit Interesse sehe ich Ihrem Anliegen entgegen.

Wiederaufnahme