Ziele der Strafverteidigung

  

Der Freispruch von einer Anklage ist das Maximalziel jeder Strafverteidigung. Allerdings kann nicht jedes Verfahren mit dem Ziel eines Freispruchs geführt werden.

In manchen Verfahren ist die Beweislast erdrückend und ein Entlastungsbeweis nicht in Sicht. In solchen Fällen ist eine Verteidigung mit dem Ergebnis eines Freispruchs kaum möglich ist.

Freispruch und Verurteilung im Strafverfahren

Es ist Aufgabe des Verteidigers, die Ausgangslage und Verurteilungswahrscheinlichkeit zu erkennen und sodann die Lage mit dem Mandanten zu erörtern. Dazu gehört, Mandanten darauf hinzuweisen, ob eine Verurteilung wahrscheinlich ist. Entscheidet sich der Mandant trotz ungünstiger Sach- und Rechtslage trotzdem für eine auf einen Freispruch ausgerichtete Verteidigung, so kann dies zu einer erhöhten Strafe führen, da dem Angeklagten die Strafmilderung eines Geständnisses nicht zugutekommen kann. Lässt als Verteidiger sehenden Auges den Beschuldigten ohne Aufklärung in eine Verurteilung geradezu „hineinrennen“, so wird man seiner Aufgabe als Strafverteidiger nicht gerecht. Es gibt allerdings auch die Fallkonstellation, dass der oder die Beschuldigte ein falsches Geständnis bei der Polizei abgelegt hat und irrtümlich davon ausgeht, dass die Beweislage für ihn ohnehin aussichtslos ist. In diesen Fällen hat der Strafverteidiger gerade die gegenteilige Aufgabe, nämlich den Mandanten darüber aufzuklären, dass ein Freispruch sehr wohl im Bereich des Möglichen liegt. Somit sind die Erfolgsaussichten einer auf Freispruch ausgerichteten Verteidigung vom Anwalt vorab zu analysieren und die entsprechenden Risiken zu gewichten. In meiner Praxis wird an den Mandanten diese Risikoanalyse erklärt und es findet eine gemeinsame Entscheidung über die Art der Verteidigung statt.

Aufklärung über die Tatbestandselemente eines Delikts

Beschuldigten Personen ist häufig nicht einmal klar, aus welchen Tatbestandselementen ein Delikt besteht. Hinzu kommt Unklarheit darüber, welche Beweise vorliegen und wie die Beweislage vom Gericht gewürdigt werden kann. Bei verschiedenen Delikten innerhalb der Anklage kommt es auf Qualifikationen oder Privilegierungen an, es geht um Notwehrsituationen und Rechtfertigungsgründe. Dabei spielt die Schuldfähigkeit oder der Irrtum einer Rolle.

In jedem Strafverfahren gibt es viele Varianten und Möglichkeiten der Verteidigung. Aufgabe des Strafverteidigers ist es, die wesentlichen Momente herauszuarbeiten und diese mit dem Mandanten gemeinsam zu besprechen. Diese Übersetzung von rechtlichen Strukturen und Tatsachenfragen in die allgemeine Sprache ist eine der wichtigen Aufgaben einer guten Strafverteidigung. Schließlich wird dann entschieden, ob eine Freispruchsverteidigung oder eine Geständnisverteidigung das bessere Ergebnis erbringen kann.

Klar ist auch, dass Strafverfahren eine gewisse Dynamik mit sich bringt. In der Verhandlung können sich beispielsweise neue Tatsachen ergeben, die einen Kurswechsel nahelegen. Daher sind Strafverfahren nur eingeschränkt planbar. Da es sich bei Anklageverfahren ausschließlich um mündliche Verfahren handelt und neue Beweise überraschend auftreten können, ist eine schnelle und präzise Einschätzung der Lage notwendig, wenn sich „etwas ändert“.

Manchmal ist es daher auch zielführend, mit dem Mandanten bei einer beantragten Verhandlungspause einen Wechsel der Verteidigungsstrategie zu besprechen. Dazu ist allerdings zu sagen dass dies doch relativ selten vorkommt, wenn die Verteidigung gut vorbereitet wurde.

Das Rechtsmittelverfahren nach der Entscheidung der 1. Instanz

Steht am Ende der 1. Instanz ein Freispruch, so ist das Verfahren – außer dann, wenn die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel einbringt - meistens beendet. Wird der Mandant dagegen verurteilt, obwohl es sich um kein Geständnisverfahren gehandelt hat, so kann dagegen Rechtsmittel erhoben werden. Rechtsmittel sind gegen sämtliche Entscheidungen der Bezirksgerichte, der Landesgerichte (Einzelrichter), der Schöffengerichte und der Geschworenengerichte möglich. Je nachdem, um welches Erstgericht es sich handelt, können unterschiedliche Rechtsmittel mit einer unterschiedlichen Überprüfung des Ersturteils erhoben werden. Häufig erhobene Rechtsmittel in Strafverfahren sind die Strafberufung und die Nichtigkeitsbeschwerde.

Dabei gibt es eine Ausnahme, die immer wieder für Diskussionen in der Rechtslehre führt. Denn wiewohl eine Überprüfung von Urteilen der Geschworenengerichte am gründlichsten erfolgen sollte, da diese die höchsten Strafen verhängen können, sind solche Entscheidungen nur sehr beschränkt überprüfbar. Umstritten ist diese Regelung deshalb, da man annehmen könnte, dass gerade bei höchsten Strafrahmen eine Überprüfung des Ersturteils besonders nötig wäre. Die gesetzliche Regelung ist – wie bereits erwähnt - dagegen eine vollkommen andere.

Dazu ein Beispiel aus der Praxis:

Anlässlich eines Verfahrens vor dem Geschworenengericht wurde von unserer Kanzlei den Verfassungsgerichtshof angerufen, dies mit dem Argument, dass der Oberste Gerichtshof die Urteile der Geschworenengerichte überhaupt nicht überprüfen kann, da die Geschworenen ihre Urteile nicht begründen müssen. Leider wurde diese Beschwerde wohl aus Relevanz der Rechtsfolgen abgelehnt. Wäre ihr stattgegeben worden, wäre die gesetzliche Regelung aufgehoben worden und hätten sämtliche Geschworenenurteile einer Prüfung zugeführt werden müssen. Dies hätte infolge das Ende der bisherigen Regelung der Geschworenengerichtsbarkeit bedeutet. Allein aus diesen Gründen dürfte der Verfassungsgerichtshof diese Regelung wohl nicht aufgehoben haben.

Generell gilt: Gegen ein Urteil des Bezirksgerichts, wie auch des Einzelrichter des Landesgerichts, ist eine Berufung und eine Nichtigkeitsbeschwerde möglich. Mit der Berufung wegen Tatsachen wird eine 2., vollkommen neue Instanz, mit dem Verfahren betraut, die eigenständig wiederum Beweise erheben und eine Würdigung vornehmen kann. Dies ist eine optimale Überprüfung des Ersturteils zugunsten des Mandanten. Gegen Urteile von Schöffengerichten können als Rechtsmittel Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden. Neben diesen Rechtmitteln gibt es zudem außerordentliche Rechtsmittel wie die Wiederaufnahme, die Beschwerde an den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und die Erneuerung des Strafverfahrens.

Rechtsmittel sind in jedem Fall ein Spezialgebiet der Strafverteidigung. In anderen Ländern besteht sogar eine Spezialisierung für diese Schriftsätze. In manchen Fällen ist daher ein Anwaltswechsel sinnvoll, in anderen dagegen weniger. Sollte man ein Anwaltswechsel vornehmen, muss der neue Verteidiger sich mithilfe der Akte sämtliche Details des Verfahrens aneignen, um das Rechtsmittel erfolgreich auszuführen.

Grundsätze des Strafverfahrens in Österreich

Im österreichischen Strafverfahren gilt wie in allen liberalen Strafrechtsordnungen der Grundsatz "in dubio pro reo" - also im Zweifel für den Angeklagten. Trotz schwacher Indizienkette oder sogar möglicher Entlastungsbeweise kommt es oft zu Verurteilungen. Hier ist es eine optimale Prozessvorbereitung von entscheidender Bedeutung, insbesondere die Einbringung von Beweisanträgen, welche oft Grundlage für den Freispruch sind. Es gilt der Satz: Eine kurzes Verfahren ist ein Geständnisverfahren, eine gute Vorbereitung ist aber die Basis eines Freispruchs, welcher gemeinsam mit dem Mandanten erarbeitet sein will. Im Hauptverfahren, das heißt insbesondere in der Hauptverhandlung, ist die Erforschung der materiellen Wahrheit einer der wesentlichen Verfahrensgrundsätze. Zudem kommen der Wahrung der Beschuldigten- wie Opferrechte und der Einhaltung der Strafprozessordnung wichtige Rollen zu.